Heute durfte ich das erste mal an der Hochschule mein Wissen teilen.
Ich liebe das, in unterschiedlichen Feldern und Formen zu wirken.
1:1 an der Bank, im Gespräch, auf Festivals mit großen Gruppen oder die wunderbare Arbeit in kleinen, intimen Gruppen die tief tauchen an den Therapiewochenenden.
Heute war angesagt, in 3x30 Minuten Erstsemester Studis an das Thema “Mind and Movement” heranzuführen.
Die zukünftig hier an der Hochschule Studierenden werden sich mit Informatik, Mathematik und-für mich überraschend in der Kombination- Design befassen.
Was wohl dazu führt, dass doch einige Mädels unter den Erstis sind.
Sie werden digitale neue Lösungen berechnen und neue smarte Technologien entwickeln.
Das sind die jungen Menschen der Zukunft.
Meine eigene Ausbildung zur staatlich geprüften Physiotherapeutin war recht schulisch,
die Zeit in den Kliniken sehr praktisch.
Die Vorbereitung zur staatlichen selbstständigen Heilerlaubnis war weitgehend im Selbststudium, dazu ein Bootcamp in der Prüfungsvorbereitung bei einer wirklich erbarmungslosen, dafür höchst effizienten Amtsärztin.
Die nahezu 6 Jahre bis zum Diplom in osteopathischer Medizin waren berufsbegleitend in sehr komprimierten und hochpreisigen Studienblöcken und viel, viel eigenem lernen und üben.
Eine richtig klassische Hochschul- oder Unizeit hatte ich in diesem Leben nicht. Ich weiß deshalb nicht; was ich da misse, aber irgendwie stell ich mir vor, das hätte mir getaugt.
Umso besser gefällt es mir, nun dort zu stehen, auf der anderen Seite, sozusagen.
In meiner Vorstellungsrunde dort sage ich, dass ich mich seit 17, bald 18 Jahren intensiv damit befasse, was der Mensch ist.
Wie er gebaut ist, fühlt, denkt, lernt, heilt.
Wie das Individuum das Kollektiv beeinflusst und andersherum. Wie zentral das Verständnis unseres Nervensystems ist, wie wir sozusagen programmiert und gewired sind.
Wie unsere Kabel und unser WLAN funktioniert.
Für einen kurzen Moment wird mir klar, dass ich schon so viele Jahre das lernen darf, was mich am meisten interessiert, wie manche von den Zuhörenden alt sind.
Das ist schon echt ein riesen Geschenk.
Gemeinsam tauchen wir ein in die Basics der Körperwahrnehmung, Achtsamkeit, Neuroregulation:
Orientierung im Raum- wo bin ich hier?
Wer ist mit mir hier?
Kann ich mich in diesem Raum selbst wahrnehmen?
Fühlt sich das gefährlich und stressig oder angenehm und vorfreudig an?
Atmung.
Bodyscan.
Die ersten Lächeln huschen über Gesichter. Hier und da ein Gähner nach einem spannenden ersten Tag mit viel Information.
Schultern sinken ein paar Millimeter nach unten.
Wir erfahren die isolierte Augenmobilität, Nackenmobilität und die Rotation der Wirbelsäule- evolutionär betrachtet auch eine Orientierung im Raum. Bin ich sicher? Was ist hinter mir?Tiger? Chef? Nein?
Ahh, alles klar. Ich kann mich entspannen.
Unsere Hardware, die Anatomie des Menschen, ist sehr veraltet um die aktuelle Software zu halten. Eine Informationsflut stürmt täglich auf uns ein, aus mannigfaltigen Kanälen.
Ständige Verfügbarkeit ist nahezu die selbstverständliche Norm. Und das bei großem Individualismus - fast will ich sagen, sozialer Vereinsamung. Zumindest physisch.
Zugang zu unzähligen digitalen Personen.
Aber wo ist die echte Begegnung, der Kontakt, der echte Rückhalt und die Zugehörigkeit?
Etwa die Hälfte der Teilnehmer sind ganz neu in München angekommen. Es ist ihr erstes Studium.
Etwa zwei Drittel haben ihr Handy in der Hand, als sie den Raum betreten.
Als die Einladung ist, kurz durch Raum zu gehen und den Menschen, die entgegen kommen, kurz mit einem Blick zu begegnen, scheuen fast alle.
Wir reden darüber, wie die Augen sich an den Abstand zum Bildschirm gewöhnen, obwohl sie zum Überblicken des Horizonts gemacht sind, zum Ausschau halten nach Freund, Feind, Heim, Schatz, Speise.
Als ich etwa in der Mitte des Workshops die Teilnehmer bitte; die Augen zu schließen und sie frage, welche Farbe meine Schuhe haben, wieviele Menschen im Raum sind und ob 1 oder 2 Bäume vor dem Fenster stehen kommen zaghafte Antworten.
Wo bin ich?
Bin ich freiwillig hier?
Was ist meine Absicht?
Wer ist bei mir?
Was geschieht um mich?
Wichtige Fragen für unser Gehirn.
Mindestens unterbewusst.
Wenn das zur Zufriedenheit überprüft ist, wird Kapazität für die eigentliche Aufgabe frei.
Sie berichten mir, wie sich viel Bildschirm- und Gedankenarbeit in ihrem Körper anfühlt:
Die müden Augen; die nicht mehr gut fokussieren, der angespannte Kiefer und Nacken, der angehaltene oder flache Atem.
Zum Abschluss gehen wir gemeinsam einfache Übungen durch, wie jeder sich in diesen Punkten helfen kann: effektive Dehnungen und Selbstmassagen- und wieder und wieder das einchecken mit sich selbst: den Fokus vom Bildschirm lösen, in Kontakt kommen mit dem was gerade ist, mit dem Körper, den Bedürfnissen, den Emotionen, dem Atem, dem Raum um uns herum.
Während ich diese jungen Menschen so üben sehe, denke ich mir: das ist so einfach. Und so wertvoll. So simple Tools, die sooo viele Krankheitstage wegen Burnout und HWS Syndrom und Kopfschmerzen vermeiden könnten.
Eigentlich sollte jeder Zugang dazu haben.
Die ganze Welt auf einmal verändern, das ist doch etwas schwer, aber ich könnte doch in meinem Feld damit beginnen.
Wollen wir bald einen Zoomcall dazu machen und das gemeinsam durchgehen? So ein paar Minuten Afterwork Entspannung?
Hättet ihr Lust?
Natürlich könnt ihr jederzeit im 1:1 ansprechen, wenn ihr euch Unterstützung wünscht.
Falls ihr denkt, ein solcher Workshop würde euch und euren Kollegen auch gut tun, ladet mich gern ein.
Für heute bin ich erfüllt, dankbar, zufrieden und in der Hoffnung, einer Handvoll Jungmenschen ein bisschen praktisches Werkzeug mitgegeben zu haben am Anfang eines neuen, spannenden Abschnitts ihres Lebens: das Nervensystem innerhalb des Körpersystems in einen so entspannten und regulierten Zustand zu bringen, dass Neues lernen und Lösungen finden leichter möglich wird.
Und so verbleibe ich als großer Fan des Parasympathikus und der Neuroregulation und allerbesten Grüßen,
Eure Michaela Braun
Osteopathin D.O.
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